In einem solchen Mitochondrienprofil Im Labor MMD findet man die Werte:
Mitochondriales ATP
PGC1a
NRF2
Rhodanaseaktivität– das Verhältnis von mitochondrialer DNA zu Zellkern-DNA
– die Anzahl von Mutationsfehlern in den gefundenen mitochondrialen DNA-Strängen

Ergänzend ist es sinnvoll auch nach der mitochondrialen Superoxiddismutase 2 zu schauen. (SOD2)
(Bei bestimmten Erkrankungen, wie Amyotropher Lateralsklerose, geht es um die SOD1, die aber nicht genetisch verändert, sondern aus anderen Gründen nicht stabilisiert werden kann und daher zytotoxisch wirkt. Daher ist es hier wichtig nach den Substanzen zu schauen, die für diese Stabilisierung verantwortlich sind.)

Wie sind die Ergebnisse zu interpretieren?
Bei dieser Untersuchung werden die Mitochondrien aus den im Blut zirkulierenden weißen Blutkörperchen, den Lymphozyten, bestimmt.

Die Mitochondrien gelten entwicklungsgeschichtlich als eingewanderte Bakterien und haben in ihrer Fähigkeit sich zu vermehren und anzupassen durchaus bakterielle Eigenschaften. Sie können sich innerhalb einer Zelle unabhängig von der Zellteilung weiter vermehren und sich somit  dem Bedarf des Körpers anpassen.

Die ATP-Bildung kann in den Mitochondrien unter Verbrauch von Sauerstoff an Schritt 4 der Atmungskette stattfinden oder auch ohne den Gebrauch von Sauerstoff, dann eben enzymatisch in den Zellen.

Die enzymatische sauerstofffreie ATP-Produktion wird für jede Zellteilung benötigt. Hierbei entstehen keine freien Radikale. Dieser Schutzmechanismus wird gewählt, damit bei der Entfaltung der Erbinformation, wodurch eine große Angriffsfläche für freie Radikale entsteht, möglichst keine Kopierfehler auftreten.
Außerdem kann die anaerobe, sauerstofffreie ATP-Produktion auch im Sinne eines Notlaufprogramms anspringen, wenn die Mitochondrien nicht in der Lage sind, ausreichend Energie (ATP) zur Verfügung zu stellen. Dieses tritt z. B. bei einem Sprint auf, nachdem sie nachhaltig außer Atem sind, weil sie eine Sauerstoffschuld eingegangen sind, um schnellstmöglich die Ziellinie zu erreichen.

Die mitochondriale ATP-Bildung gilt als Voraussetzung für eine differenzierte Zellleistung. (Der Pathologe spricht bei Krebszellen immer von einer Entdifferenzierung) Unter einer differenzierten Zellleistung versteht man, dass die Zelle das tut was sie soll und dafür ist das korrekte Ablesen des richtigen Genabschnitts der Erbinformation im Zellkern notwendig. Erfolgt dieser Schritt nicht in der korrekten Form, schaltet die Zelle in ein Notlaufprogramm, was ein Überleben sicher stellt. Hält die Ursache für das Notlaufprogramm weiter an, entdifferenziert sich die Zelle in ihrer Funktion nachhaltig und es entstehen Krankheiten bis hin zum Krebs.
Das in diesen Lymphozyten gemessene mitochondriale ATP zeigt uns ja nun nur an, was in diesen Lymphozyten los ist. Die Lymphozyten haben eine Lebenszeit von wenigen Tagen und werden demzufolge recht kurzfristig nachgebildet. Daraus lässt sich ableiten, dass wir hier einen guten Verlaufsparameter für ein Krankheitsgeschehen oder einen Therapieverlauf haben. Wir wissen aufgrund dieser Messergebnisse nicht, wie es in den Körperzellen aussieht. Man kann aber annehmen, dass, wenn selbst in den sich regelmäßig neubildenden Zellen die Funktionen eingeschränkt ist,  es in den Körperzellen nicht besser aussehen wird.
Diese Erklärung ist etwas vereinfacht, denn es werden in der Fraktion dieser peripheren einzelligen Blutzellen (PBMC -peripheral blood mononuclear Cells) auch Monozyten und 'Makrophagen gemessen, die eine unterschiedliche Überlebenszeit und eine unterschiedliche Aufenthaltszeit im Blut haben. Daher ist diese präanalytische Phase für die Auswertung des Ergebnisses sehr wichtig.
Halbwertszeiten (Überleben)Makrophagen/Monozyten leben Monate bis Jahre
Lymphozyten: Tage, Monate, Jahre
Neutrophile Granulozyten: maximal 2-3 Tage
Aufenthalt im Blut:Makrophagen/Monozyten: etwa 24 Stunden
Lymphozyten: max 48h
Neutrophile Granulozyten: 12 Stunden

Wenn wir nun eine mitochondriale ATP-Produktion von sagen wir mal 16,38 messen, dann heißt das so viel, wie das die Mitochondrien nicht 100, sondern nur 16,38 % der erwarteten Leistung bringen. In jedem guten Unternehmen würde man dann annoncieren, um neue Facharbeiter einstellen zu können.

Ein Messparameter für diese Annonce oder Neueinstellung bzw. in diesem Fall Neubildung von Mitochondrien, ist das PGC1a.
Bei einer niedrigen mitochondrialen ATP Produktion würde man also einen hohen Wert von PGC1a erwarten.
Ist dieses nicht der Fall, muss eine Blockierung in dem Informationsstrang Bedarfsanalyse-Bedarfsdeckung vorliegen.
Das kann ein Mangel an dafür notwendigen Substanzen oder ein Überschuss an Substanzen sein, der diesen Prozess blockiert. Psychische Einflüsse sind hier im Sinne des epigenetischen Phänomens nicht ausgeschlossen.

Der NRF2 ist ein Faktor, der sowohl ein Zeichen für oxidativen Belastung als auch für die antioxidative Gegenregulation ist. Um diese Frage eingrenzen und klären zu können, habe ich es mir zur Leitlinie gemacht, dass ich parallel auch das oxidative Stressprofil mit kontrolliere. Darin sehe ich die antioxidative Kapazität, das Ausmaß der Zellwand-Rostung (Lipidperoxidation) und das Ausmaß der Zellkernschäden (8-OH-Guanosin). Dieses ist eine Momentaufnahme der letzten 1 bis 3 Stunden, während der NRF2 seine Ursache auch vor drei Tagen gehabt haben kann.
Sind also die Lipidperoxidation und der Zellkernschaden niedrig, dann muss die Ursache vor bis zu drei Tagen gewesen sein, dann zeigt der NRF2 eine antioxidative Kapazität an,
sind die Werte für die Zellwand- und Zellkernschäden hoch, zeigt der NRF2 hier im Sinne einer Bstätigung die momentane oxidative Belastung an, auf Deutsch,  wie stark die Zelle gerade rostet.

Wenn sich eine Zelle teilt, dann wird der Zellkern nur einmal kopiert. Die in dem Zellkern enthaltenen Zellorganellen, zu denen auch die Mitochondrien gehören, können sich aber öfter teilen, da sie für die Zellfunktion eine zuarbeitende Funktion übernehmen.
Zellen, die sich selten teilen haben eher wenige und Zellen die sich fast gar nicht teilen, haben sehr viele Mitochondrien. So haben Nervenzellen und Muskelzellen durchaus bis zu 4000 Mitochondrien pro Zelle.
Bei den Lymphozyten/PBMC hat sich ein Mittelwert von 400 mitochondrialen DNA-Strängen ergeben, der eine Streubreite von 230 nach oben und auch nach unten zulässt.

Ein Molekül mitochondrialer DNA hat 37 Genabschnitte. Ein Mitochondrium hat ungefähr 10-15 solcher Moleküle, deren DNA Stränge wegen der offenen Ringstruktur verletzlich sind. Daher sind sie bei dem Kontakt zu freien Radikalen auch besonders gefährdet, können sich aber über Tunnelproteine helfen, indem sie Erbinformationen austauschen. Dieses haben sie mit resistenzentwickelnden Bakterien gemeinsam. Ob sie es immer zu unserem Nutzen einsetzen, hängt sicherlich davon ab, ob wir in einem fixierten Notlaufprogramm oder in einer Optimalfunktion unterwegs sind.

Dieses Ausmaß der DNA-Schäden, der offen und ringförmig vorliegenden mitochondrialen DNA,  lässt sich als Anzahl der Fehler pro nachgewiesener mitochondriale DNA-Kopien erfassen. In meinem Patientenklientel haben sich hier Schwankungen von einem Fehler auf 60.000 Kopien bis zu einem Fehler auf 20 Millionen Kopien ergeben.
Demnach muss
bei demjenigen, der auf nur 60.000 Kopien bereits einen Fehler hat, eine deutlich stärkere, auf freien Radikalen beruhende, Stresssituation vorliegen. Sollte in diesem Fall der NRF2 niedrig sein, spricht das dafür, dass der Körper nicht in der Lage ist, ein eigenes antioxidative Schutzsystem aufzubauen.

Eine mögliche Ursache für diese Unfähigkeit kann eine genetische Mutation der mitochondrialen Superoxiddismutase 2 (SOD2) sein.
Liegt diese heterozygot vor, ist auf einem Genabschnitt ein gesundes Enzym codiert und auf dem anderen ein kaputtes. Unter Optimalbedingungen kann dieses Enzym also 50 % der Leistung bringen.
Liegt der Zustand homozygot vor, dann ist es auf beiden Genabschnitten kaputt und schafft unter Optimalbedingungen maximal 20 % der vorgesehenen Leistung.

Daraus leitet sich ab, dass bei einer rein funktionellen Untersuchung der SOD-Aktivität nur eine Momentaufnahme kontrolliert wird.
Liegt in diesem Moment eine optimale Versorgung und stressarme Situation vor, kann die funktionelle Aktivität durchaus im Normbereich sein, obwohl eine genetische Mutation vorliegt.
Andererseits kann auch bei einer gesunden genetischen Situation durch eine Überforderung dieses Enzyms durch freie Radikale und mangelhafter Versorgung mit den essenziellen Substanzen, in einer Untersuchung der funktionellen Aktivität, eine mangelnde Aktivität nachgewiesen werden. Daher sollte für eine nachhaltige Therapieentscheidung die genetische Diagnostik gewählt werden.

In dem Profil ist auch noch die Rhodanaseaktivität aufgeführt. Die Aufgabe der Rhodanase, auch Schwefeltransferase genannt, ist es, Schwefelgruppen, sogenannte Thiolgruppen, zu übertragen. Deren Quelle ist die Aminosäure Cystein. Diese Aufgabe ist besonders am Schritt 3 der Atmungskette, bei der Schwefel in sechs verschiedenen Ladungszuständen vorliegen kann und hier sowohl als Elektronenakzeptor als auch Donator wirken kann, von besonderer Bedeutung. Dieses Enzym ist auch für die Entgiftung von Cyanid-Verbindungen, Blausäure, wichtig.
An Schritt 3 der Atmungskette findet die ß-Oxidation, also die Verbrennung der Fette, statt. Erhebliche Einschränkungen dieses Enzyms sollten also auch zu auffälligen Fettwerten führen.

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