Darmbakterien können im Rahmen einer Stuhltransplantation Diabetes mellitus, Übergewicht, metabolisches Syndrom, chronische Darmerkrankungen und Darmkrebs korrigieren

von | 18. Januar 2013 | Publikationen

Die Besiedlung des Darms unserer Neugeborenen hat bereits in der Gebärmutter begonnen und wird auch durch den Geburtsakt beeinflusst. Bei einem Kaiserschnitt bekommt das Kind also eine andere Startmischung an Keimen als bei einer Geburt auf dem natürlichen Weg. Auch das Stillen liefert nicht nur Keime, die um die Brust herum wachsen oder aus der Mundhöhle kommen, sondern die Muttermilch liefert neben dem Kolostrum und den Nährstoffen auch wichtige Keime, die aus der Darmflora der Mutter in die Muttermilch übergetreten sein müssen. Ist die Mutter gesund, profitiert das Kind davon. Bei schlankeren Müttern zeigte sich gegenüber übergewichtigen Müttern bereits sechs Wochen nach Beginn des Stillens, dass die Darmflora bei den schlankeren Müttern vielfältiger ist sowie weniger krankmachende Keime, wie Staphylokokken, enthält und dass sich das auch in der Muttermilch so wiederfindet. Selbst eine übermäßigen Gewichtszunahme der Mutter in der Schwangerschaft führte zu solchen Veränderungen. Erstaunlicherweise hatte sogar die Art des Kaiserschnitts eine Bedeutung. War es ein Notkaiserschnitt, so glich die Milchflora eher dem, der natürlichen Geburt, bei einem Wunschkaiserschnitt eher dem einer übergewichtigen Frau.
Quelle:Cabrera-Rubio R et al. The human milk microbiome changes over lactation and is shaped by maternal weight and mode of delivery. Am J Clin Nutr 2012;96:544–51; doi: 10.3945/ajcn.112.037382
Bremen scheint dieses Thema ernst zu nehmen und will die Kaiserschnittrate senken, hier das Inteview bei Radio Bremen
Umso wichtiger ist es bei dieser Erkenntnis, dass wir bei dem Einsatz von Antibiotika und Konservierungsmitteln äusserst zurückhaltend vorgehen. Neuere Studien bezüglich unserer Darmflora, unser Mikrobiom, zeigen, dass Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Übergewicht, metabolisches Syndrom, chronische Darmerkrankungen und Darmkrebs durchaus im Zusammenhang mit der Darmflora stehen. Das erklärt sich über die Aufgabe der Darmflora, nämlich die Produktion oder Bereitstellung bestimmter Vitamine wie B12 und K, Thiamin und Riboflavin. Auch bei der Entgiftung sogenannter Xenobiotika – chemischer
Schadstoffe im Darminhalt – sind sie wichtig. Bakterien verfügen zudem über Enzyme zur Spaltung komplexer Kohlenhydrate, die der Mensch nicht besitzt, und erschließen uns so zusätzliche Energiequellen. Eine Studie von Koren et al. ergab kürzlich, dass diese zusätzliche Energiebereitstellung in der Endphase der Schwangerschaft zunimmt, da der Anteil entsprechender Bakterien steigt. Die bei der Spaltung der Polysaccharide entstehende kurzkettige Fettsäure Butyrat dient zudem der Ernährung des Darmepithels, stärkt so die Darmwand und sorgt auch für ein saures Milieu im Darm, was wiederum Vorteile für die Verdauung hat. Für das Übergewicht schuldigt man eine Überbesiedlung mit Firmicuten an, die aus eigentlich nicht verdaubarer Zellulose noch Energie holen. Diese Menschen könnten bei Hungersnöten Gras oder Heu essen und würden tatsächlich Energie daraus ziehen können. Heute will man ja gerne schlanker sein. Eine wiederholte Stuhltranspantation von gesundem Stuhl eines schlanken, möglichst direkt verwandten Spenders könnte hier helfen. Bei chronisch entzündlicher Darmerkrankung, Colitis ulcerosa, habe ich die positive Wirkung in meiner Praxis schon erleben dürfen. Man kann das in Eigentherapie oder auch laborchemisch weiter aufgearbeitet nutzen.
Eine chronische Entzündung ist gefährlich, weil sie langfristig zu Krebs führen kann. Eine Hypothese aus dem Mausmodell ist, dass eine Veränderung der Darmflora die Durchlässigkeit der Darmwand beeinflussen kann. Wird sie erhöht, gelangen etwa vermehrt Endotoxine in den Körper, die den Grad der subklinischen Inflammation steigern, was die Insulinsensitivität beeinträchtigt und so die Entwicklung eines Diabetes fördern kann. Bei der Maus gelang es, die Darmpermeabilität mithilfe des Inkretins GLP2 wieder zu senken. Bei einer verminderten Insulinsensitivität wird vermehrt Insulin produziert, was man an seinem Baustein, dem C-Peptid sehr gut zeigen kann. Parallel dazu steigt aber auch der wachstumsfördernde IGF, insulin-growth-factor, an und fördert das Wachstum von Fett- aber auch von Tumor- oder inneren Zellen von Blutgefäßen. Die Folge sind dann Übergewicht, Fettstoffwechselstörung, Bluthochdruck und evt. Diabetes, Nervenschädigung als Polyneuropathie, Durchblutungsstörungen, Krebs, in der Summe also alles Mitochondriendysfunktionen. Insulinsensitivität ist auch durch Schlafmangel oder Schichtarbeit in Richtung Resistenz zu beeinflusssen. Diese Verschiebung der Circadianrhythmik führt dann trotz gleicher Kalorienmenge zu Übergewicht.
Eine kleine Studie von Vrieze et al. aus Amsterdam hat ergeben, siehe dazu auch den Spiegel-Artikel, dass ein sogenannter Fäkaltransfer, also eine Übertragung von Mikrobiota schlanker Menschen in den Darm von Patienten mit metabolischem Syndrom, schon nach 6 Wochen eine verbesserte Insulinsensitivität mit sich brachte. Die Autoren führen den Effekt auf ein erhöhtes Vorkommen von butyratproduzierenden Bakterienarten bei Schlanken zurück, mit den erwähnten Vorteilen für den Stoffwechsel. Der Fäkaltransfer, also die Übertragung von Darmflora von einem Menschen auf den anderen, wird schon länger therapeutisch bei gastrointestinalen Erkrankungen mit Clostridium difficile eingesetzt. Es gibt auch Hinweise darauf, dass die Microbiota die Inkretinausschüttung beim Menschen beeinflussen kann.
Literatur:
1. Zupancic ML, Cantarel BL, Liu Z et al. Analysis of the gut microbiota in the old order amish and its relation to the metabolic syndrome. PLoS One. 2012;7(8):e43052. Epub 2012 Aug 15.
2. Koren O, Goodrich JK, Cullender TC et al. Host Remodeling of the Gut Microbiome and Metabolic Changes during Pregnancy. Cell 2012;150 (3):470-80.
3. Vrieze A, van Nood E, Holleman F et al. Transfer of Intestinal Microbiota From Lean Donors Increases Insulin Sensitivity in Individuals With Metabolic Syndrome. Gastroenterology. 2012 Jun 20. [Epub ahead of print]
Das Mikrobiom entscheidet sogar über die Nasennebenhöhlenentzündungen, Tubenkatarrhe mit Mittelohrentzündung oder Tonsillitiden.

Die oben erwähnte vermehrte Durchlässigkeit der Darmwand, das Leaky gut syndrom, findet sich auch bei einer Glutenallergie, der Zöliakie, eine Entzündung aber auch bei der Glutensensitivität.
Eine Darmsanierung ist also eine grundlegende Therapieform für fast alle Erkrankungen. Aber wie sieht so ein Darm eigentlich von innen aus ?

Die oben erwähnte Insulinsensitivität oder im Umkehrschluss deren Resistenz wird nicht unwesentlich durch Fruchtzucker beeinflusst und sollte dem Diabetiker daher keineswegs empfohlen werden. Zuviel Fruchtzucker führt zu erhöhten Zuckerwerten im Blut sowie Leberverfettung und Cholesterinanstieg aber auch zu  Bluthochdruck, Harnsäureerhöhung und Abbau von ATP.
Darmbakterien können auch vor Autoimmunerkrankungen schützen, s. Deutsches Ärzteblatt.

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